Shin Splints – Schienbeinkantensyndrom

Shin Splints – mediales/ laterales Tibiastresssyndrom – Schienbeinkantensyndrom: Definition

Beim medialen oder lateralen Tibiastresssyndrom handelt es sich um eine Reizung der medialen (inneren) oder lateralen (äußeren) Schienbeinkante. Es wird häufig auch als Schienbeinkantensyndrom oder aus dem Englischen als Shin Splints bezeichnet. Die Reizung kann mit einer schmerzhaften und auch entzündlichen Empfindlichkeit einhergehen, die vom Knöchel bis zum Knie verlaufen kann. Shin Splints treten häufig bei Läufern auf oder bei Personen die beruflich häufig zu Fuß unterwegs sind.

Ursache

Shin SplintsAufgrund der wenigen existierenden Langzeituntersuchungen zu diesem Thema, gibt es derzeit noch verschiedene Erklärungen, die für die Ursache der Reizung infrage kommen. Forschergruppen wie Couture & Karson (2002) und Beck (1998) sehen das Hauptproblem in einer Ermüdung des Musculus soleus (lat. für „Schollenmuskel“; ein Wadenmuskel). Dieser spielt beim Gehen als eine Art Stoßdämpfer eine elementare Rolle. Ermüdet der Muskel wirken die beim Gehen und Laufen entstehenden Kräfte ungebremst auf das Knochengewebe der Tibia (des Schienbeines) ein. Bei jedem Schritt biegt sich das Schienbein je nach Statur bis zu einem gewissen Grad. Wird es mit Reizen überhäuft, wird die Remodellierungsfähigkeit des Knochens überbeansprucht und kann nicht mehr mit der Belastung mithalten. Kortebein et al. (2000) führen das Schienbeinkantensyndrom auch auf eine Überbelastung des Schollenmuskels zurück. Sie halten jedoch eine Diskontinuität der Fasern, die über die fasziale Hülle des M. soleus am Schienbein ansetzen, für ursächlich. In beiden Fällen ist der M. soleus verantwortlich. Allerdings werden unterschiedliche auf ihn einwirkende Faktoren, als ausschlaggebend betrachtet.

Risikofaktoren

Die größte Gemeinsamkeit der Patienten mit Shin Splints ist eine verstärkte Pronation des Sprunggelenks. Als Pronation wird das Hochziehen des Fußaußenrandes bei gleichzeitigem Absenken des Fußinnenrandes bezeichnet. Bei einem normalen Schritt wird zwar die Fußspitze hochgezogen, man sollte jedoch dabei weder nach innen noch nach außen ausweichen. Ein weiterer Faktor, der eine Reizung der Schienbeinkante begünstigt, ist ein plötzlicher Anstieg der Trainingsintensität, der Trainingsdauer oder des Trainingsumfangs. Fredericson et al. (1995) stellten in ihrer Studie fest, dass nahezu 60 % der Entzündungen auf Fehler in der Trainingsplanung zurückzuführen sind. Darüber hinaus kann auch ein Wechsel des Laufuntergrunds Shin Splints begünstigen. Läuft man in der Regel auf Waldboden oder ähnlichem weichen Untergrund, kann der Wechsel auf härteren Boden wie Asphalt, Shin Splints auslösen (Rome et al., 2005). Ebenso wichtig ist das Schuhwerk des Läufers. Wird dadurch eine Überpronation oder andere Dysbalance erzeugt die zu einem unrunden Laufstil führen, lässt sich hier eine Ursache für die Problematik finden. Auch ältere Verletzungen mit einhergehenden Fehlhaltungen können zum Schienbeinkantensyndrom führen. Da die Muskulatur in aufsteigenden und absteigenden Ketten verläuft und sich Schonhaltungen rasch anpasst, entstehen nicht selten chronische Reizungen, die ihre Ursache an ganz anderen Stellen haben. So könnte sich bspw. ein funktioneller Beckenschiefstand negativ auf die Beinachse und somit auch auf die Belastung des Schienbeins auswirken.

Therapie

Kommt es zu einer Reizung empfiehlt es sich das betroffene Areal mit angenehmer Kühle zu behandeln. Von direkter Eisanwendung wurde in den letzten Jahren eher abgeraten. Stattdessen wird zu einer Kälte um die 7° C geraten, was ungefähr der Temperatur eines Kühlschranks entspricht. Häufig neigt man dazu trotz Schmerzen den Trainingsplan weiterzuverfolgen, statt dem Körper die notwendige Ruhe zu geben. Doch gerade in diesem Fall ist eine Trainingspause wesentlich. Lässt man die Entzündung nicht ausheilen kann sie zum einen chronisch werden, zum anderen kommt es aber auch zu Mikrofrakturen im Schienbein. Die Heilung beider Folgeerscheinungen wäre deutlich langwieriger und schmerzhafter als die Pause die zum Abklingen der Reizung nötig ist. Tritt keine deutliche Besserung der Symptome auf, sollte man einen Arzt aufsuchen und sich zum Physiotherapeuten überweisen lassen. Durch gezielte Behandlung der faszialen Verkettungen und Anwendung manualtherapeutischer Techniken sollten die Krankheitsanzeichen langsam abklingen. Bessern sich die Beschwerden deutlich, kann man die gleichen Maßnahmen ergreifen die auch zur Prävention dieser Verletzung ratsam sind.

Prävention

Da die zu starke Pronation ein Problem darstellt, ist es wichtig ihr mit Einlagen entgegenzuwirken. Die Ausprägung der notwendigen Korrektur hängt von der jeweiligen Fußform und der Konstitution der Person ab und sollte nur von einem ausgebildeten orthopädischen Schuhmacher vorgenommen werden. Des Weiteren sollten sowohl die Einlagen als auch die Laufschuhe dämpfende Eigenschaften haben um die Ermüdung der Muskulatur hinauszuzögern (Thacker et al., 2002). Wichtig ist hierbei auch ein Kraft und Ausdauertraining der Wadenmuskulatur, vor allem des bereits erwähnten M. soleus. Je ausdauernder der Muskel ist, desto länger ist das Schienbein vor ungeschützten Krafteinwirkungen sicher. Sind diese Punkte beachtet, kann man das Augenmerk auf das eigentliche Training legen. Ein sinnvoller Trainingsplan von einem erfahrenen Trainer ist essentiell. Er überprüft ob die Belastung sowohl in ihrer Dauer, der Häufigkeit, als auch in ihrer Intensität adäquat ist und erkennt und korrigiert Fehlbelastungen und Fehlhaltungen frühzeitig.

(Susanne Maier)

Quellenverzeichnis

  • Beck, B.R. (1998). Tibial stress injuries: an etiological review for the purposes of guiding management. Sports Med.26 (4), 265-279.
  • Couture, D.J. & Karson, K.A. (2002). Tibial stress injuries: decisive diagnosis and treatment of „shin splints.“ Physician Sportsmed.30 (6), 29-37.
  • Fredericson, M., Bergman, A.G., Hoffmann, K.L. & Dillingham, M.S. (1995). Tibial stress reaction in runners: correlation of clinical symptoms and scintigraphy with a new magnetic resonance imaging system. Am J Sports Med. 23 (4), 472-481.
  • Kortebein, P.M., Kaufman, K.R., Basford, J.R. & Stuart, M.J. (2000). Medial tibial stress syndrom. Med Sci Sports Exerc. 32 (3), 27-33.
  • Rome, K., Handoll, H.H. & Ashford, R. (2005). Interventions for preventing and treating stress fractures and stress reactions of bone of the lower limbs in young adults. Cochrane Database Syst Rev. 2 D000450.
  • Thacker, S.B., Gilchrist, J., Stroup, D.F. & Kimsey, C.D. (2002). ‚The prevention of shin splints in sports: a systematic review of literature. Med Sci Sports Exerc. 34 (1), 32-40.
  • Abbildung: http://www.bandhayoga.com/images/Blog/Gastroc_soleus_origin_insertion.jpg