Bandscheibenvorfall
Aufbau und Funktion der Bandscheibe
Die Bandscheiben befinden sich zwischen den Wirbelkörpern oberhalb des Kreuzbeins mit Ausnahme des 1. und 2. Halswirbels. Jede Bandscheibe ist etwa 5mm dick und besteht aus zwei Anteilen, dem Nucleus pulposus und dem Anulus fibrosus.
Der Nucleus pulposus ist ein Gallertkern, der die Funktion eines Gelkissens hat und die Druckunterscheide zwischen zwei Wirbeln ausgleicht. Bei Jugendlichen ist er stark wasserhaltig, bei Älteren dagegen gel-artig und trocknet mit zunehmendem Alter aus.
Bei Beugung der Wirbelsäule gleitet der Nucleus pulposus etwas nach hinten, bei Rückneigung ein wenig nach vorne.
Der Anulus fibrosus ist ein Außenring, der aus festen kollagenen Fasern und Faserknorpel besteht. Er ist schichtförmig aufgebaut, in denen die Fasern diagonal abwechselnd verlaufen, so dass ein gekreuzter Verlauf entsteht. Die obere und untere Begrenzung werden durch die Knorpelplatten gebildet und verbinden die Wirbelkörper miteinander. Durch diese Platten finden mittels Diffusion Ernährungs- und Entsorgungsprozesse statt.
Die Bandscheibe wird auch als „Stoßdämpfer“ betitelt, da sie Stauchungen, wie zum Beispiel beim Sprung von einem Stuhl, abfangen. Sie bilden elastische Verbindungen der Wirbelkörper untereinander und erhöhen die Beweglichkeit, indem sie sich entsprechend verformen können.

Pathomechanismus eines Bandscheibenvorfalls
Ein Bandscheibenvorfall entsteht meist durch ein Ungleichgewicht von Belastung und Entlastung, sowie der falschen Reizsetzung der spezifischen Zellen.
Die altersbedingte Degeneration spielt häufig auch eine wichtige Rolle, so zeigen sich bei ca. 83 % der Männer zwischen 55 und 64 Jahren und ca. 72% der Frauen degenerative Veränderungen an der Bandscheibe. Hinzu kommen noch viele externe Faktoren, wie z.B. das Rauchen. Das Rauchen von Zigaretten verringert die Synthese um 30- 40% nach 20-30 min, nach 3 Stunden bis auf 50% und hält dann noch zwei Stunden an.
Der Anulus fibrosus, besteht aus faserigem Knorpel und Fibroblasten. Er gewinnt an Faser-Stärke, sofern diese den richtigen Reiz erhalten, wie bspw. Rotationsbewegungen und Scherkräfte. Im Allgemeinen durch Zugbelastung auf die Faserstrukturen. Je weiter außen die Faser liegt desto dichter ist die Faserstruktur, man nennt es auch das Lamellensystem der Bandscheibe. Sollte das durch langes Verharren in einer Position nicht der Fall sein, wie beim Sitzen morgens am Esstisch anschließend im Auto und dann die tägliche Arbeit am Schreibtisch, so fehlt dem Faserring die jeweilige Reizsetzung und somit seine Synthesekraft der Zellen. Der Faserring wird schwächer, baut sich ab, die Dichte der Fasern wird geringer, die Matrix lagert sich in den Zwischenräumen ein; ganz nach dem Prinzip: use it or lose it.
Im Alter kommt hinzu, dass die Lamellenzahl des Anulus fibrosus abnimmt und immer größere Abstände zwischen den Lamellen entstehen.
Die Flüssigkeitseinlagerung ist eine logische Konsequenz der falschen Belastung, da Wasserdruck abpuffert, so wie es im hyalinen Knorpel zu finden ist oder der Bandscheibe selbst als Nucleus um starken Druck abfangen können.
Starke Einlagerungen bilden Aussackungen, die sogenannte Protrusion oder Bandscheibenvorwölbung, dabei sind die äußeren Lamellen des Anulus fibrosus noch intakt. Bei einem Prolaps (Bandscheibenvorfall) sind auch die äußeren Lamellen gerissen, diese können im Faserknorpel in seine Schichten wandern der Nucleus an sich nicht!
Sollten jetzt stärkere Scherkräfte oder Rotationsbewegungen in Kombination hoher Geschwindigkeit auf den Faserknorpel einwirken, der geschwächt ist, so kann dieser einreißen und die Matrix tritt aus. Im schlimmsten Fall in Richtung der Spinalnerven oder des Rückenmarks, so dass heftige Schmerzen oder Symptome auftreten, wie z.B. ziehende Schmerzen im Verlauf eines Dermatoms, Schwächegefühl in bestimmten Kennmuskeln für ein Segment und Taubheitsgefühle.
Es gibt auch asymptomatische Bandscheibenvorfälle, diese treten in Richtungen aus, die keine Reaktion auslösen oder nur sehr gering. Wenn der Faserknorpel sehr geschwächt ist, kann im Extremfall der gesamte Nucleus austreten.
Diagnostik und Therapie
Eine Röntgenaufnahme oder Computertomographie des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts gibt Aufschluss über die knöchernen Strukturen und den Wirbelkanal.
Das wichtigste Diagnoseverfahren ist die Kernspintomographie. Mit ihrer Hilfe können die Größe, Ausdehnung und Form eines Bandscheibenvorfalls, sowie Informationen über die betroffenen Nerven gesammelt werden. Die Bilder ermöglichen auch die Beurteilung des Wirbelkanals und der Nervenkanäle.
Mit Hilfe des MRT (Magnetresonanztherapie) lassen sich relativ genaue Aussagen über degenerative Veränderungen im Bereich der Bandscheibe und der Wirbelgelenke treffen.
Die meisten Bandscheibenvorfälle zeigen von ihrer Symptomatik her geringe Beschwerden und können somit konservativ behandelt werden, wobei hier eventuell eine adäquate Schmerztherapie unterstützend sein kann.
In leichteren Fällen können die Beschwerden durch physiotherapeutische Maßnahmen wie bestimmte Lagerungen, Mobilisationen und Verhaltens- bzw. Bewegungsinstruktionen vermindert werden. Durch Übungen, die dem Aufbau der Rücken- und Bauchmuskulatur dienen, kann die Wirbelsäule stabilisiert werden. Dies ist insbesondere im Sinne einer Sekundärprävention zur Vermeidung von Rückfällen sinnvoll. Oft lässt sich dadurch eine Operation vermeiden.
Es gibt aber auch andere Fälle, in denen so genannte „Red-flag-Symptome“ auftreten, die ärztliche Diagnostik benötigen. Zu den Red-flag-Symptomen zählen:
- neurologische Ausfälle
- Kauda-Syndrom (Reithosenparästhesien)
- Schmerzverstärkung in der Nacht
- Nachlassende Schmerzen bei deutlicher Parese (Teilausfall der motorischen Funktion eines Muskels)
- Miktionsstörungen (Harnverhalt, Überlaufblase, Inkontinenz)
- Zustand nach aktuellem Unfall (Wirbelfraktur)
- Bekannte Osteoporose mit Bagatelltrauma
- Tumoranamnese
- Infektionen
- Verdächtige Allgemeinsymptome (Fieber, Gewichtsverlust)
(KSK) (STU)